Die Winterstarre
Obwohl heute bei der Haltung von europäischen Schildkröten das Vorbild Natur im Vordergrund stehen sollte, ist es nicht immer möglich die Natur auch eins zu eins nachzuahmen. Den größten Kompromiss müssen wir sicher bei der Winterstarre eingehen.
Die Wintertemperaturen sind nicht nur von der Lage, Art und Beschaffenheit des Habitats, sondern vor allem auch vom herrschenden Wetter abhängig. Besonders in meernahen Habitaten sind die frei lebenden Schildkröten teils extremen Temperaturschwankungen ausgesetzt. Selbst Temperaturen im Minusbereich oder anhaltende Temperaturen im Stoffwechselbereich sind in Überwinterungsgruben nicht selten.
Die Schildkröten haben sich im Laufe ihrer Evolution darauf eingestellt und auch hierfür besondere Mechanismen und Überlebensstrategien entwickelt. Natürlich greifen diese Mechanismen und Strategien nur in den Ursprungshabitaten. Für die geschützte Überwinterung in unserer Obhut gelten deshalb völlig andere Regeln, sodass wir bestrebt sein sollten unseren Tieren nur optimale Überwinterungstemperaturen zu bieten.
Wie die Überwinterung der Schildkröten in der Natur abläuft und wie diese in menschlicher Obhut ablaufen sollte, habe ich ausführlich in meinen Büchern „Europäische Schildkröten, Lebensraum und Lebensweise“ und „Natürliche Haltung und Zucht der Griechischen Landschildkröte“ beschrieben.
Es gibt in manchen Gebieten, wie beispielsweise in den Sanddünen an der West- und Südküste Sardiniens, auf dem Peloponnes oder im Süden Spaniens Populationen, die aufgrund der dort herrschenden sehr milden Temperaturen nicht über einen längeren Zeitraum in eine Kältestarre fallen können. Dort sind die Schildkröten deshalb auch in den Wintermonaten überwiegend aktiv. Die dortige Natur befindet sich ebenfalls in einem milden Modus und Futterpflanzen sind ausreichend vorhanden.
Nachfolgend ein paar Bilder aus Habitaten in Südspanien. Hier sind die Schildkröten auch im Winter aktiv. Selbst an trüben Tagen habe ich viele aktive Schildkröten vorgefunden. Nur bei längeren Schlechtwetterperioden verkriechen sich die Tiere im Gestrüpp und Unterholz. Zwischen den Büschen finden sich immer wieder Inseln mit vielfältigen Futterpflanzen.